Fast 20 Jahre lang besuchten KME-Studierende das Hessenkolleg in Kassel und empfingen Kasseler:innen in Zürich. Nun geht diese Tradition zu Ende. Thomas Fähndrich, von 2012–2021 Verantwortlicher für die Schulpartnerschaft, blickt zurück.
1992 – im dritten Jahr nach der Wende – besuchte der Altphilologe Thomas Gehring einen Kongress im ehemaligen Ostberlin. Während einer Pause kam er mit einem Ehepaar ins Gespräch. Bald wurde klar, dass sich hier Lehrpersonen getroffen hatten, die an Gymnasien für Erwachsene Latein unterrichteten; am Hessenkolleg in Kassel und an der KME in Zürich. Damals wurde die Idee geboren, einen regelmässigen Austausch zwischen den beiden Schulen zu pflegen.
Bildet man aus «Hessenkolleg Kassel» Anagramme, stösst man unter anderem auf «Lass es gehen!». Das war den Initianten freilich nicht bewusst, als 1995 der erste Austausch stattfand.
Nun aber ist «Lass es gehen!» Realität geworden. Die regelmässigen Besuche, einmal in die eine, dann in die andere Richtung sind Geschichte.
Die Pandemie, die – verglichen mit den Anfangsjahren des Austausches – viel grösseren Reisemöglichkeiten für junge Menschen und das Bewusstsein, dass man während einer Woche Abwesenheit an der Schule viel verpasst und Prüfungen nachholen muss, haben wohl dazu beigetragen, dass die Reisegruppen in den letzten Jahren kleiner wurden.
Es gab in Kassel viele Höhepunkte: die Besuche an der Documenta, die legendären Reisen nach Weimar mit dem ehemaligen Kasseler Schulleiter Martin Witzel auf den Spuren von Goethe, Schiller und natürlich der Weimarer Republik.
Legendär war eine Reise der Kollegiatinnen und Kollegiaten aus Kassel an den Urnersee. An einem sonnigen, aber spätherbstlich frischen Tag stürzten sich vier Gäste kurzerhand in den See, während sich die Gastgeber ob der doch recht kühlen Temperatur in Zurückhaltung übten. Schiller hat die Schweiz nie besucht, beim Schreiben des Wilhelm Tell hat er die Schweiz nur vor seinem geistigen Auge gehabt. Seine Protagonisten hat er sich als Mitteldeutsche vorgestellt, sicher nicht als Schweizer, das wurde damals klar.
«Die Freundschaft mit dem Hessenkolleg hat viele bleibende Beziehungen geschaffen.»
Es gäbe noch viel zu erzählen, z.B. vom Gastgeber aus Kassel und seiner Besucherin aus Zürich, die eines Morgens nicht zum Unterricht im Hessenkolleg erschienen. Es stellte sich heraus, dass der Kollegiate seiner Besucherin unbedingt das Meer zeigen wollte. Dafür legten sie pro Weg ca. 350 Kilometer zurück.
Die Freundschaft mit dem Hessenkolleg hat viele bleibende Beziehungen geschaffen. Manchmal waren die Besuche auch herausfordernd.
«Hessenkolleg Kassel – Lass es gehen!» – Trotzdem: Viele gute Erinnerungen und einige Freundschaften bleiben.