Seit 2019 finden die Maturarbeitskolloquien an der KME nicht mehr individuell, sondern gebündelt an einem Tag statt. Der ein Jahr vor der Matur stehende Jahrgang fungiert als Publikum und erahnt, was auf ihn zukommt.

Anlässe – Kolloquiumstag

Geschlechterrollen, Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Die Maturarbeitskolloquien sind eine Kür für angehende Maturandinnen und Maturanden. Dabei müssen sie ihre Maturarbeiten, an denen sie fast ein Jahr gearbeitet haben, präsentieren und sich den kritischen Fragen der Betreuungspersonen und des Publikums stellen. Lange wurden die Kolloquien individuell zwischen den Verfasser:innen und den betreuenden Lehrpersonen organisiert.

2019 wurden sie erstmals in einem Kolloquiumstag gebündelt. An diesem finden nun von morgen früh bis abends Präsentationen statt. Die Studierenden des nachfolgenden Jahrgangs wohnen ihnen als Publikum bei und erhalten einen Eindruck davon, was auf sie zukommt.

«Einige Kolloquien ziehen knapp 60 Zuhörende an.»

Der erste Slot um acht Uhr ist noch spärlich besucht. Im Verlaufe des Morgens präsentieren die angehenden Maturandinnen und Maturanden ihre Arbeiten vor immer volleren Rängen. Kolloquien zu Menschenversuchen in Konzentrationslagern oder zum Einfluss des «Bring your own device»-Konzepts auf den schulischen Lernerfolg von Menschen mit ADHS ziehen knapp 60 Zuhörende an.

«Ich nehme eine vibrierende Stimmung wahr. Vielen Kandidatinnen und Kandidaten ist eine gewisse Nervosität anzumerken, besonders wenn der Raum gerappelt voll ist, doch häufig ist die Nervosität gepaart mit einer Art freudiger Aufregung. Schliesslich können die Studierenden nun nach einer langen Phase im Alleingang endlich präsentieren, was sie erreicht haben», sagt Französischlehrerin Evelyne Patti, die Mitglied der Kommission Maturarbeit der KME ist.

«Dieses ‘Warst du schon? – Ich bin im nächsten Slot dran! – Nun, hab ich’s hinter mir!’ scheint mir unter den Studierenden eine ansteckende, anregende Stimmung zu verbreiten», so Patti.​

Zwischen aktuell und zeitlos

In der diesjährigen Liste aller Maturarbeiten spiegeln sich aktuelle Themen wie Umwelt und Nachhaltigkeit, Ernährung oder Geschlechterrollen. So widmete sich Luzia Brändli den «Männlichkeiten im deutschen Gangsta-Rap». Dabei untersuchte sie ausgewählte Alben von Kool Savas, Bushido und Kollegah anhand soziologischer Theorien von Pierre Bourdieu oder Raewyn Connell.

Aber auch die Auseinandersetzung mit dem Schulalltag oder der Weltpolitik ist in der aktuellen Themenliste erkennbar. Manchmal verbinden sich zeittypische Interessen mit zeitlosen Themen des klassischen Bildungskanons wie in der Arbeit von Olivia Lieb zum Vergewaltigungsmotiv im griechisch-römischen Mythos. Ein weiteres Thema, das die Studierenden beschäftigt, ist die Digitalisierung. Téo Hiltl etwa befasste sich in seiner Maturarbeit mit Konzepten eines dezentralisierten Internets, das die Abhängigkeit von grossen Techfirmen wie Google verringern könnte.

Zwischen den Präsentationen füllen sich die Gänge. Sandro Minuz wartet auf seinen Auftritt und besucht in der Zwischenzeit Kolloquien von Kommilitoninnen und Kommilitonen. «Ich hoffe, dass zu meinem Referat am späten Nachmittag auch noch jemand kommt», sagt er. In der Tendenz besuchen die Studierenden des nachfolgenden Jahrgangs ihre vier obligatorischen Kolloquien am Morgen, um den Nachmittag frei zu haben. «Ich fände es schade, wenn die Leute zu den Randzeiten nicht kommen, obwohl das Thema sie interessieren würde», so Sandro Minuz.

Aus Fehlern lernen

Für die Studierenden des dritten Semesters sind die Kolloquien lehrreiche Anschauungsbeispiele. «Man sieht, wie man es machen sollte, oder eben auch nicht», sagt Sara Harder. Besonders beeindruckt hat sie das professionelle Auftreten der angehenden Maturandinnen und Maturanden. Ein typischer Fehler hingegen sei, wenn die Fragestellung nicht richtig beantwortet werde. Ein weiteres Thema, das die Studierenden umtreibt, sind die kritischen Fragen der Betreuungspersonen. Auch das Zeitmanagement ist ein Evergreen, der von fast allen Referentinnen und Referenten mahnend hervorgehoben wird.

«Man sieht, wie man es machen sollte, oder eben auch nicht.»

Diese Themen werden derweil auch im Lehrer:innen-Zimmer besprochen. Die Betreuungspersonen und Korreferierenden beurteilen die schriftlichen Arbeiten, den Arbeitsprozess und die Kolloquien, füllen Bewertungsformulare aus und diskutieren über Noten und die Anforderungen an die Maturitätsarbeiten. Noch vor der Mittagspause geben die ersten Studierenden die Zettel mit den Unterschriften ab, mit denen sie ihre Anwesenheit an vier obligatorisch zu besuchenden Kolloquien belegen.

Gegen Ende des Tages lichten sich die Reihen, es wird ruhiger im Schulhaus. Den Vortrag von Sandro Minuz zum Vietnamkrieg am späten Nachmittag besuchen immerhin knapp zehn Personen – teilweise auch ohne sich ein Testat zu holen.

Text: Miguel Garcia
Bilder: Roberto Huber