Im letzten Jahr wurden beide Prorektoratsstellen der KME neu besetzt. Was macht eigentlich ein:e Prorektor:in? Welche Gestaltungsmöglichkeiten bietet das Amt und welche Herausforderungen stellen sich? Und wie schafft man es, alles unter einen Hut zu bringen? Die abtretende Prorektorin Nicole Sotzek und ihr Nachfolger Claudio Darms unterhalten sich über ihre Motivation, ihre Erfahrungen und Erwartungen.
Miguel Garcia: Über die Sommerferien findet der Wechsel der beiden Prorektoratsstellen statt. Wie funktioniert eine solche Amtsübergabe?
Claudio Darms: Mein offizieller Stellenantritt ist der 1. September. Aber die Übergabe begann schrittweise im vergangenen Semester. Ich habe Nicole an Informationsveranstaltungen begleitet oder an Aufnahmegesprächen und Schulleitungssitzungen teilgenommen. Dafür durfte, bzw. musste ich eine Klasse abgeben. Nach dem Sommer fange ich ausserdem mit der Schulleitungsausbildung an, für die ich ebenfalls entlastet werde.
MG: Studierende, welche vor allem bei Absenzengesprächen mit dem/der Prorektor:in zu tun haben, vermuten, dass man dieses Amt nur wegen des Geldes ausübt. Haben sie Recht? (schmunzelt)
Nicole Sotzek: Das dürfte bei kaum jemandem die Hauptmotivation sein. Man erhält zwar im Durchschnitt etwa 2’000 Franken Funktionszulagen, aber die gehen mehrheitlich wieder für die Steuern weg (lacht). Für viele ist es eine Möglichkeit, sich beruflich weiterzuentwickeln, wenn man schon Leitungsfunktionen als Klassenlehrperson oder in der Fachschaft innehatte. Für mich war es damals vor allem das Interesse an überfachlichen Themen und an der Teamarbeit. Als Fachlehrperson ist man im Kerngeschäft vorwiegend alleine vor der Klasse.
In der Schulleitung muss man enger zusammenarbeiten – vor allem auch mit der Administration, das war mir vor meinem Stellenantritt nicht so bewusst. Dazu kommt, dass die KME eine spezielle Schule ist, mit der ich mich verbunden fühle.
CD: Auch mir liegt die Schule am Herzen. Ich möchte die anstehenden Veränderungen begleiten und mitgestalten. Dazu gehören die Einführung neuer Fächer im Rahmen der Weiterentwicklung der gymnasialen Maturität (WEGM) oder der Umzug in die Kaserne. Auch das Thema Digitalisierung wird wichtig bleiben. Irgendwann sollen sämtliche Abschlussprüfungen am eigenen Gerät geschrieben und die Maturitätsarbeiten digital abgegeben werden können.
«In der Schulleitung muss man eng zusammenarbeiten»
MG: Als Prorektor/in unterrichtet man fast 50 Prozent und ist einem Rektor untergeordnet. Wie gross sind da überhaupt die Gestaltungsmöglichkeiten?
NS: Die Mittelschulen auf dem ersten Bildungsweg funktionieren recht ähnlich. Die KME ist ein Sonderfall. Hier ist es in vielen Bereichen möglich, die Schulentwicklung mitzugestalten. Bei mir war das vor allem die Kommunikation nach aussen. Unser Auftritt war ziemlich verstaubt. Eines meiner ersten grossen Projekte bestand deshalb darin, die Aussenwirkung für unsere Klientel, also junge Erwachsene, ansprechender zu gestalten. Wie gross die Gestaltungsmöglichkeiten sind, hat aber auch mit der Zusammensetzung des Teams zu tun.
Veränderungen müssen in der Schulleitung besprochen werden, und man muss das Kollegium an Bord holen, damit alle dahinterstehen. Dazu benötigt man Überzeugungskraft und Durchsetzungsvermögen.
CD: Du hast mir einmal gesagt, «führen heisst auch entscheiden». Idealerweise geschieht das aufgrund von guten Argumenten und nicht kraft des Amtes. Ich habe das bei der Einführung des Kolloquiumstags erlebt. Es hat insgesamt sieben Jahre gedauert, um diesen einzuführen. Zuerst musste ich die Kolleg:innen in der Maturarbeitskommission überzeugen, dann die Schulleitung und das Kollegium. Es brauchte eine gewisse Bestimmtheit und das Vertrauen des Kollegiums und der Schulleitung.
MG: Die Amtszeit in der Schulleitung ist auf zwölf Jahre beschränkt, und man muss sich alle vier Jahre wiederwählen lassen. Entsteht dadurch ein Zeitdruck beim Umsetzen von Schulentwicklungsprojekten?
NS: Ja, durchaus. Man braucht mindestens zwei Jahre, bis man alle Abläufe gut kennt. Erst dann kann man sich überlegen, was man gerne ändern möchte, und dann steht schon die erste Wiederwahl an. Das ist ein schlechter Zeitpunkt für grössere Schulentwicklungsprojekte, man ist dann gewissermassen im Wahlkampf, das Prorektorat ist ja bis zu einem gewissen Grad auch ein politisches Amt.
Richtig gestalten kann man also erst in der zweiten Amtsperiode. Dazu kommt ein enges Zeitkorsett aus Terminen und Unterrichtsverpflichtung. Als Schulleitungsmitglied fühlte ich mich verpflichtet, besonders guten und innovativen Unterricht zu bieten. Ich habe immer darauf geachtet, die richtige Balance zu finden zwischen Pflichten und eigenen Schul- und Unterrichtsprojekten.
MG: Gewinnt man durch das Amt eine andere Sicht auf die Schule und die Bildungslandschaft?
CD: An den Infoveranstaltungen und Aufnahmegesprächen merkte ich, wie gross der Wettbewerbsdruck ist, dem die KME ausgesetzt ist. Das war mir vorher nicht bewusst, und vermutlich nehmen das die wenigsten Lehrpersonen wahr.
Für viele Interessierte ist der Zeitaspekt enorm wichtig, wenn sie sich zwischen der einjährigen Passerelle oder dem zweijährigen gymnasialen Weg entscheiden müssen. Das heisst, wir müssen um jede:n einzelne:n Studierende:n kämpfen. Wir stehen auch in Konkurrenz zu externen Anbietern für die Vorbereitung auf die eidgenössische Passerelle. Hier ist es wichtig, die Vorzüge unserer Schule hervorzuheben, wie etwa die Betreuung durch die Fachlehrpersonen, den Klassenverband sowie Nachhilfe- und Freifachangebote.
«Die KME ist einem grossen Wettbewerbsdruck ausgesetzt.»
MG: Worauf freut Ihr Euch im nächsten Berufs- und Lebensabschnitt und worauf weniger?
CD: Ich freue mich insbesondere auf die Zusammenarbeit im Schulleitungsteam. Mein bisheriger Eindruck war, dass die Sitzungen speditiv sind, man sich gegenseitig unterstützt und gute Ideen entwickelt werden. Respekt habe ich vor schwierigen Entscheidungen oder Entwicklungen, wenn neue Fächer eingeführt werden und es Veränderungen in der Stundendotation gibt.
NS: Ich werde die Schule sehr vermissen. Die KME ist ein Kosmos für sich, alle hier identifizieren sich mit dem Gedanken des zweiten Bildungswegs. Und ich durfte viele tolle junge Studierende kennenlernen. Auch das Schulleitungsteam wird mir fehlen – und natürlich mein Büro (lacht). Was ich gerne abgebe, ist die Verantwortung für die Studierendenzahlen. Das war immer ein grosser Druck. Ausserdem freue ich mich, als Frühpensionierte weniger fremdbestimmt zu sein und auf die spannenden Projekte, die auf mich zukommen, wie etwa die Koordination von ukrainischen Flüchtlingen, die im Kanton Zürich Mittelschulen besuchen möchten, oder die Kommunikation im Digital Learning Hub.
CD: Ich wünsche Dir viel Musse und dass Du bei Deinen neuen Aufgaben von Deiner Erfahrung als Prorektorin profitieren kannst.
NS: Und ich wünsche Dir, dass Du cool bleibst, wenn sich im Februar/März die Studierenden für die KME anmelden, und dass es Dir gelingt, die KME weiterzuentwickeln, damit sie in der Bildungslandschaft bestehen kann.