Die Schriftstellerin Ulla Lenze verarbeitet in ihrem Roman «Der Empfänger» über die Spionagetätigkeit der Deutschen während des Zweiten Weltkriegs ein Stück ihrer eigenen Familiengeschichte. An der KME las sie daraus vor und stellte sich den Fragen der Studierenden.
Im Rahmen des Zyklus‘ «Literatur im Gespräch», organisiert vom Schreiblesezentrum der KME, war die Autorin Ulla Lenze am 17. Juni mit ihrem Roman «Der Empfänger» zu Gast. An der gut besuchten Lesung erfuhr man, wie der Protagonist des Romans, Josef Klein, als rheinländischer Auswanderer und Amateurfunker ins Visier der Grossmächte gerät, vom Naziregime für Spionagetätigkeiten in den USA rekrutiert wird und schlussendlich auffliegt.
«Die literarische Sprache ist wirkmächtiger als die Alltagssprache.»
Im Roman wird aber nicht nur die anschliessende Verurteilung Kleins thematisiert, sondern auch der vergebliche Versuch in der alten Heimat, einem Deutschland, das in den spiessigen 50er-Jahren den Wiederaufbau vorantreibt, Fuss zu fassen. Kleins Sehnsucht nach einem freien Leben, eng mit dem amerikanischen Lebensgefühl verknüpft, endet in Süd- bzw. Zentralamerika. Im Anschluss an die Lesung erläuterte die Autorin ihr Verfahren, anhand von biografischen Zeugnissen ihres Grossonkels Realität und Fiktion zu verweben.
Die interessierten Studierenden, die sich im Deutschunterricht auf die Lesung vorbereitet hatten, wollten unter anderem wissen, wie Ulla Lenze zur Literatur gefunden habe. «Schon als junger Mensch hat mich die Verdichtung der Literatur als Brücke zur Realität fasziniert. Die literarische Sprache ist wirkmächtiger als die Alltagssprache.» Dass in ihrem Roman – Lenze studierte Schulmusik und Philosophie – der Jazz mehr als eine Kulisse ist, nämlich einen eigenen Soundtrack darstellt, kam im einführenden Interview mit dem Deutschlehrer Andreas Villiger zur Sprache.