Am 6. April 2024 fand im Rahmen des SLZ eine Lesung von Julia von Lucadou statt, die von der Deutschlehrerin Juliette Weiss moderiert wurde. Studierende diskutierten mit der Autorin über ihren Erfolgsroman «Die Hochhausspringerin» und die heutige Leistungsgesellschaft.
Der Erfolgsroman «Die Hochhausspringerin» der deutschen Schriftstellerin Julia von Lucadou erzählt die Geschichte von Riva, einer jungen, erfolgreichen Hochhausspringerin, die Millionen von Fans hat. In ihrer Welt wird sie rund um die Uhr von Kameras beobachtet, doch sie weiss nicht, dass sie auch gezielt überwacht wird. Eine andere junge Frau, Hitomi, wird damit beauftragt, Riva zur Wiederaufnahme ihres Trainings zu bewegen, um den Anforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden. Der Roman beleuchtet so die psychischen Belastungen und die Absurdität eines Perfektionismus, der letztlich das Menschsein in Frage stellt.
Julia von Lucadou sprach über ihre Beweggründe, Schriftstellerin zu werden. Schon früh habe sie Freude am Geschichtenerzählen gefunden, jedoch war dies nicht der Beruf, den ihre Eltern sich für sie erhofft hatten. Ihre Arbeit als Fernsehredakteurin im Bereich Film und Fernsehen, einem stressigen Beruf mit hohem Leistungsdruck und ständiger Erreichbarkeit, hinterliess körperliche und psychische Spuren. Aus dieser Erfahrung entstand die Idee für den Roman «Die Hochhausspringerin», in dem sie die Leistungsgesellschaft kritisch beleuchtet. Die beiden Hauptfiguren, Riva und Hitomi, verkörpern zwei verschiedene Seiten dieses Systems: die Funktionstüchtigkeit und den Druck, den Erwartungen gerecht zu werden.
Lucadou wählte zwei weibliche Hauptfiguren, da es einen deutlichen Überhang an männlichen Protagonisten in der Literatur gebe. Sie wollte mit Riva und Hitomi ein Gegengewicht schaffen und eine weibliche Perspektive auf Machtverhältnisse und die Rolle der Frau in einer leistungsorientierten Gesellschaft bieten. Lucadou erklärte, dass die dystopische Welt ihres Romans zwar in der Zukunft angelegt sei, aber viele Elemente aus der heutigen Gesellschaft spiegle, wie zum Beispiel den Mythos der Produktivität und den Umgang mit Frauen, die Familie und Karriere in Einklang bringen müssen.
In der Fragerunde erkundigte sich das Publikum nach verschiedenen Aspekten des Romans wie etwa der Symbolik des Kreisels. Lucadou sieht den Kreisel als Symbol für eine Rückentwicklung, als eine Erinnerung an die Kindheit und als Hinweis auf das «Haptische», das in der steril-perfekten Welt des Romans «Die Hochhausspringerin» fehlt. Die Metapher der «oberen Etage» – nur die privilegiertesten Mitglieder der Gesellschaft können ‘Licht’ in den oberen Etagen geniessen – wird von der Autorin als Ausdruck einer «Wirtschaftsdiktatur» interpretiert.
Abschliessend betonte Julia von Lucadou, dass sie mit dem Roman keine konkrete Botschaft vermitteln wolle. Sie sehe sich nicht in der Rolle, das Publikum zu belehren oder zu erziehen, sondern wolle ihre Wahrnehmung unserer Leistungsgesellschaft darstellen und Denkanstösse geben. Sie sieht sowohl positive als auch negative Seiten des Systems und möchte vor allem zum Nachdenken anregen.