Nach über 30 Jahren als Geschichtslehrer und schulpolitisch sehr engagierter Kollege geht Adrian Schläpfer in Pension. Kurz davor erfüllte er sich den Traum jedes Historikers und kaufte ein Stück Land mit einem Haus in der Toscana.
Aus zuverlässiger Quelle erfuhr ich, Adrian habe als Kind Jurist werden wollen wie sein Vater, später dann Lateinlehrer, was ihm die Schwester eines Freundes, selbst Lateinlehrerin, aber wieder ausgeredet habe. Wäre ich die Schwester dieses Freundes gewesen, hätte ich ihn im Wunsch, Lateinlehrer zu werden, bestärkt. Aber er wählte Geschichte. Umso glücklicher bin ich, in Adrian an der KME während mehr als 30 Jahren wenn nicht einen Fachkollegen, so doch einen überaus geschätzten Geschichtslehrerkollegen gehabt zu haben. (AB)
Zur lateinischen Geschichte hatte Adrian eine besondere Beziehung, wählte er doch für seine private Mailadresse den Vornamen «Hadrian», in Anlehnung an den römischen Kaiser Hadrian. Auf meine Nachfrage erklärte er mir, dass er sich dessen Namen ausgeliehen habe, weil dieser ein Philosoph gewesen sei, der die griechische Kultur verehrt, keine Kriege geführt und den Schotten die Grenzmauer zu England hinterlassen hatte.
An Papst Hadrian VI. habe er bei der Namenswahl nicht gedacht, obwohl dieser der anständigste aller verdorbenen Renaissancepäpste gewesen sei, was wohl daran gelegen habe, dass er nur ein Jahr auf dem Stuhl Petri gesessen habe. (RK)
«Früh zeigte sich, dass Adrian den richtigen Beruf gewählt hatte.»
Nach der Matur am Wirtschaftsgymnasium Enge studierte Adrian an der Universität Zürich zunächst Deutsch, Geschichte und Englisch, stellte dann aber um auf Geschichte und Neuere Deutsche Literatur und Linguistik. Sein Geschichtsstudium führte ihn zweimal in die USA, einmal für ein Semester an die UCLA (University of California, Los Angeles), ein zweites Mal für sechs Wochen an die University of Yale. Er schloss sein Studium 1985 ab.
Die nächsten Jahre unterrichtete Adrian mit je einem 50%-Pensum am Wirtschaftsgymnasium Hardwald (Olten) und an der Kantonsschule Limmattal (Urdorf). Früh zeigte sich, dass Adrian den richtigen Beruf gewählt hatte: Anlässlich eines Besuchstages der Kantonsschule Limmattal wurde der damalige Prorektor der KME, Fredy Wyss, dessen Tochter in Adrians Geschichtsklasse war, auf den jungen Lehrer aufmerksam und bot ihm eine Stelle an der KME an.
So kam es, dass Adrian 1988 an unserer Schule Geschichte zu unterrichten begann, zunächst im Vorkurs, ab 1991 dann mit einem 50%-Pensum als Lehrer obA neben einer 50%-Anstellung an der Kantonsschule Oerlikon.
2000 wurde Adrian zum Lehrer mbA an der KME gewählt, wo er mit voller Lektionenzahl bis zu seiner um ein Jahr vorgezogenen Pensionierung 2022 unterrichtete. (AB)
Adrian war mein Mentor, als ich als Geschichtslehrerin an der KME zu unterrichten begann. Er vertrat eine offene Haltung gegenüber den Studierenden, liess sich von guten Argumenten überzeugen und sprach auch einmal Klartext, wenn es nötig war. Nicht nur die Offenheit, auch die Neugier bis ins hohe Dienstalter und sein Humor machten Adrian zu einem geschätzten Fachschaftskollegen, der immer ein offenes Ohr hatte.
Mich beeindruckte besonders, wie er seine persönlichen Erfahrungen kritisch betrachtete, in den Unterricht einbaute und damit Authentizität schuf. So illustrierte er beispielsweise die Frauenfeindlichkeit des alten Eherechts mit der Episode, wie er als frisch verheirateter Mann in den 1980er-Jahren ganz selbstverständlich eine Wohnung für seine junge Familie mieten konnte, ohne sich um das Einverständnis der Ehefrau kümmern zu müssen. (RK)
Immer war Adrian schulpolitisch aktiv. Von 2011–2016 war er in der Konventsleitung stellvertretender Konventspräsident und Vertreter des Kollegiums in der Schulkommission, von 2017–2019 schliesslich Konventspräsident. Es war ihm ein wichtiges Anliegen, dass die Schule ihren Fokus auf den gymnasialen Unterricht richtet und die Fachkompetenz des Kollegiums einen hohen Stellenwert hat.
Er erwies sich in schwierigen Zeiten als mutiger, offener und geradliniger Kollege, der mit seinem kommunikativen Talent nachdrücklich die Anliegen der Lehrerschaft gegenüber Schulleitung, Schulkommission und Behörden vertrat, auch angesichts unerspriesslicher Situationen immer gesprächsbereit blieb und nie den Humor verlor. Wie viel haben wir gelacht im Lehrerzimmer, sei es in Diskussionen über die Weltlage, die Schweizer Politik, die Bildungspolitik oder im Gespräch über belletristische Literatur.
Denn Adrians Interessen und Talente reichen weit über den Schulalltag hinaus. Wer es bis dahin nicht wusste, bekam am letzten Schuljahresschluss-Fest eine Ahnung davon, als Adrian eine eigene Komposition für klassische Gitarre spielte. Nun zieht die Musik weiter – nein, nicht über die Pyrenäen, nicht nach Granada oder in die Extremadura – sondern in die Olivenhaine und zu den Schirmpinien der Toscana. (AB)
Zu seinem Abschied organisierte Adrian eine fachschaftsinterne Weiterbildung zum «Roten Zürich», ergänzt um interessante Begegnungen mit realen und fiktiven Persönlichkeiten wie Erminia Cella, der legendären Wirtin des Restaurants «Cooperativo», in welchem wir unter dem strengen Blick von Karl Marx zu Mittag assen. Nach einem langen Stadtspaziergang in seiner damaligen Wohnung im Friesenberg angekommen, bekochte uns Adrian vortrefflich.
Wir lachten viel und schmunzelten über Anekdoten aus vergangenen KME-Zeiten, als beispielsweise eine KME-Delegation – und Adrian mit – nach China fuhr. Anschliessend durften wir aus den vielen Fachbüchern, die sich im Laufe der langen Geschichtslehrerzeit in Adrians Büchergestell angesammelt hatten, nach Belieben auswählen und uns frei bedienen. Hier kam mancher Klassiker zum Vorschein – und alle trugen wir um Mitternacht eine vollbepackte Büchertasche nachhause. (RK)
Wir wünschen Adrian herzlich alles Gute.